Die Herbstgeschichte
   

Wenn man im Herbst durch die Wälder spaziert und bunte Blätter von den Bäumen rieseln, dann liegt das meistens daran, daß das Chlorophyll sich aus der Blattsubstanz verkrümelt, die Blätter ihren Halt verlieren und von einer frischen Brise aus Nordwest oder Südost, je nachdem, wie man gerade steht, davongeweht werden..

 
Wenn es aber nicht rieselt und raschelt, sondern rumpelt und flattert, dann liegt das meistens am Fröschlein, denn das Fröschlein liebt nichts mehr, als sein grünes Fell mit dem roten und gelben Herbstlaub kontrastieren zu lassen.
Deswegen steigt es in jedem Herbst auf die Bäume und macht sich auf die Suche nach interessanten Dingen..
 

Die Tiere des Waldes staunen.
Eigentlich ziehen sie es vor, so lange wie möglich durch das Laub der Bäume geschützt zu sein.
(Menschen hängen sich zu diesem Zweck Gardinen in die Fenster, auch wenn sie im 7. Stock wohnen.)

Dieser Vogel hier - es könnte eine Dohle sein - schaut besonders starr. Liegt es daran, daß das Fröschlein begeistert seine Wohnung entblättert?

 
Aber nein, die beiden kennen sich doch aus dem Urlaub! Es ist die Dohle, die dem Fröschlein Mut zusprach, als es auf dem Berg festgefroren war vor Angst. Nun ist die Dohle zu Besuch gekommen, aus den Bergen, und sie fragt das Fröschlein:
Fröschlein, was rumpelt und flattert denn da?
 
Hallo Dohle, sagt das Fröschlein und springt auf die Erde, ich flausche so durch den Wald, weil ich es liebe, mein grünes Fell mit den roten und gelben Blättern kontrastieren zu lassen.
Und außerdem bin ich auf der Suche nach einer neuen Erwerbsquelle. Was denkst Du, Dohle, ob man diese wunderschönen Eicheln verkaufen könnte?
 
Zweifelnd schaut die Dohle auf das Fröschlein.
Ich bin mir da nicht sicher, sagt sie, aber nun weiß ich doch wenigstens, warum es hier oben im Norden so rumpelt und flattert im Wald.
Wenn so ein grünes Fröschlein wie Du den ganzen Wald durchschüttelt . . .
Ach Dohle, sagt das Fröschlein, komm doch zu mir nach unten, dann können wir besser plaudern.
Die Dohle segelt sachte zum Fröschlein auf die Erde.
 
So einen großen Berg Eicheln hat das Fröschlein gesammelt, jede einzeln. Die Dohle merkt, daß das Fröschlein stolz auf seine Eichelernte ist.
Probier' doch mal, sagt das Fröschlein, wenn diese goldbackigen Eicheln gut schmecken, kann ich den ganzen Haufen zu Geld machen!
 
Weil die Dohle nicht so begeistert erscheint, hat das Fröschlein eine andere Idee.
Gut, sagt es, wir sammeln Kastanien, Kastanien sind viel größer als Eicheln. Also sind sie effektiver. Mit Kastanien kann man sich leicht einen goldenen Arsch verdienen.
Und das Fröschlein schickt die Dohle in die Baumwipfel, um nach Kastanien Ausschau zu halten.
Tatsächlich, sagt die Dohle, ich seh' was.
 
Und schon plumpsen die ersten Kastanien auf das Fröschlein nieder. Die Dohle rüttelt und schüttelt einen knorrigen Kastanienbaum, bis auch die letzte Kastanie aufgibt und sich fallen läßt.
Da strahlt das Fröschlein.
Seht Ihr die Dollar-Zeichen in seinen Augen blinkern?
 
Bald sitzen die Dohle und das Fröschlein am Fuße des Baumes und zählen ihre Ernte.
Siebenunddreißig, achtunddreißig, neununddreißig - vierzig Kastanien sind es!
Das Fröschlein kommt trotz der Freude schnell wieder zum Geschäft.
 
Und jetzt probieren, sagt es zu der Dohle. Ich will doch unbedingt wissen, welchen Marktwert meine Kastanien haben.
Die Dohle kaut und kaut. Das Kauen ist schwierig, denn Dohlen haben in den meisten Fällen keine Zähne. Nach einiger Zeit - es wird schon dunkel - spuckt sie die Kastanie aus.
 

Fröschlein, sagt die Dohle, vergiß den Traum vom großen Geld. Diese Kastanien schmecken scheußlich.
Da ist das Fröschlein aber enttäuscht.
So viele Kastanien gesammelt, und was ist der Lohn?

Doch das Fröschlein wäre nicht das Fröschlein, wenn es lange traurig bliebe. Es setzt sich einfach einen Eichel-Hütchen auf die Nase. Obwohl es gar kleine Nase hat, das Fröschlein!
Siehst Du Dohle, sagt das Fröschlein, siehst Du, wie herrlich dieser hellbraune Eichelhut mit meinem grünen Fell kontrastiert?

 
Drum merke:
Geld ist nicht alles.
Es kommt nur darauf an, in jeder Situation schön auszusehen - pardon: das Schöne zu sehen.